Wanderschaft
Durch Zufall verirrten sich zu Beginn meiner Lehrzeit zwei reisende Zimmerergesellen in meinen Lehrbetrieb. Sie sprachen für Arbeit vor und wurden prompt vom Meister für ein paar Wochen beschäftigt. So erfuhr ich , dass es diese alte Handwerkstradition überhaupt noch gibt und worum es sich im Groben handelt.
Als ich die Lehre beendet hatte , stand fest , dass ich auch auf Wanderschaft gehen würde und ich begann, mich zu informieren. Ich erfuhr ein paar Treffpunkte der Wandergesellen , besuchte diese und lernte auch Reisende kennen. Um aber losgehen zu können , musste mich einer der Reisenden , der schon länger unterwegs war , in die ganze Sache einführen.
Diesen gefunden und auf die wichtigsten Dinge eingeschworen , konnte es dann im Sommer 2002 losgehen. Mir war klar , dass ich für die nächsten drei Jahre meinem Heimatort nicht näher als 50 Kilometer kommen würde und die Zimmererkluft in dieser Zeit mein einziges Gewand sein würde. Viele dieser Regeln hören sich vielleicht streng an , wurden aber mit der Zeit zur Selbstverständlichkeit und in keinster Weise zu einer Einschränkung.
Mit fünf Talern
Mit fünf Euro geht man los , und mit fünf wieder nach Hause. Man soll sich in dieser Zeit weder bereichern noch Schulden machen. Was man hat , soll zum Leben dienen.
Nie länger als 3 Monate
Man bleibt nie länger als drei Monate an einem Ort , sei es beim Arbeiten oder beim Reisen. Der Grundgedanke der Wanderschaft könnte sonst nicht ausgeführt werden. Ich selbst spürte aber auch nie das Verlangen, irgendwo länger zu bleiben. Nach 7 bis 8 Wochen zieht es einen von selbst wieder weiter.
Arbeiten, um zu reisen und reisen, um zu arbeiten
Arbeit und Reise sollen sich die Waage halten. Etwas von der Welt kennen lernen und neue Erfahrungen sammeln ist genauso wichtig wie sich beruflich weiterzubilden.
Auf meiner Reise lernte ich den gesamten deutschsprachigen Raum besser kennen und fand sowohl Arbeit im hohen Norden als auch in der Schweiz und in Österreich. Doch auch zum Reisen bietet dieser uns eigentlich bekannte Raum viele interessante Gegenden und Erfahrungen. In der Schweiz verbrachte ich mit Unterbrechungen und anfänglichen Verständigungsschwierigkeiten fast ein ganzes Jahr.
Allerdings zog es mich mit kälter werdender Jahreszeit natürlich auch in die Wärme. So kam es, dass ich mit drei Wanderkollegen meinen zweiten Winter in Ozeanien verbrachte und die Reise uns von Australien über Fidschi zur Südseeinsel Samoa führte. Auf den beiden Inseln hatten wir sogar interessante Baustellen, für die wir mit kostenloser Übernachtung und Verpflegung entlohnt wurden. Für uns eine tolle Erfahrung, da man die Einheimischen und das Land viel intensiver kennenlernt, wenn man mit ihnen zusammenarbeitet.
Nach einer Sommerreise in die Vereinigten Staaten machte ich mich wiederum mit Kollegen in meinem dritten Winter auf nach Südamerika. Wir landeten in Venezuela und fuhren von dort aus mit dem Bus weiter nach Columbien. Mit dem Segelschiff ging es dann nach Panama und auf dem Landweg nach Costa Rica, wo wir unseren Rückflug hatten. Wieder zurück in der Schweiz wartete dann ein Zimmerergeselle darauf, auch auf Wanderschaft zu gehen. Ihn hatte ich beim Arbeiten ein halbes Jahr zuvor kennengelernt und ihm zugesagt, ihn loszubringen. Mit ihm reiste ich dann gemeinsam , bis ich schlussendlich im August 2005 meinen Heimweg antrat.